Der Archehof in Freidorf rettet die Diepholzer Gans

Einst war es ein wichtiges Nutztier, jetzt ist es vom Aussterben bedroht – die Rede ist von der Diepholzer Gans. Auf dem Archehof von Heinrich Dreyer im Neubruchhausener Ortsteil Freidorf leben noch 20 dieser schön anzusehenden Gänse. Züchter-Nachwuchs wird händeringend gesucht.

Die Diepholzer Gans gilt als stark gefährdet – Züchter-Nachwuchs wird händeringend gesucht.

Die Begrüßung ist wie immer aufgeregt-freundlich. Wenn man auf dem Arche-Hof von Heinrich Dreyer im Neubruchhausener Ortsteil Freidorf um die Ecke biegt, schallt einem fröhliches Schnattern von 20 Diepholzer Gänsen entgegen. „Jeder Hund, jede Katze, jeder Mensch wird gewürdigt“, lacht Dreyer, „darauf ist Verlass.“

Er und seine Züchter-Kollegen wollen, dass das so bleibt. Denn die Diepholzer Gans zählt zu den bedrohten Arten auf der roten Liste der Haustierrassen und gilt als „stark gefährdet“. „In ganz Deutschland gibt es nur noch 55 Züchter, die sich mit dieser Gans beschäftigen“, weiß Dreyer. „Mehr als die Hälfte der Züchter ist mittlerweile im Rentenalter. Wir suchen händeringend Nachwuchs, sonst ist es um diese Art bald geschehen.“

Das würde ihm das Herz brechen. Nicht umsonst gehört sein Hof zu den sogenannten Arche-Höfen der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH). Mit selten gewordenen Kaltblutpferden, Rindern, Schafen und Hühnern fing er an, seit 2013 kümmert er sich auch um die Diepholzer Gans. Viele davon gibt es nicht mehr: „Es stehen noch knapp 100 Ganter und 220 Zuchtgänse in den Büchern.“

Das war früher ganz anders. In Diepholz und Umgebung wurde diese Gans auf den öffentlichen Weideflächen gehalten, später auch in anderen norddeutschen Regionen. „Sie ist für karge Böden ideal, kommt mit wenig aus, ist sehr robust und wenig anfällig für Krankheiten. Zudem ist sie äußerst fruchtbar und schmeckt mit ihrem feinfaserigen Fleisch ausgezeichnet“, charakterisiert Heinrich Dreyer diese Art. Ihre „hohe Marschfähigkeit“ war in Diepholz und umzu von Vorteil: „Die kann Kilometer machen. Die Weideflächen der Stadt waren oft weit draußen.“

„Erhalten durch Aufessen“: Obwohl sie gefährdet ist, ist die Diepholzer Gans ist kein Kuscheltier oder Kumpel, sondern ein Nutztier.

Auch optisch macht die Diepholzer Gans viel her. Mit dem reinen Weiß ihrer Federn, die sich nach dem Schlachten gut verkaufen ließen, und dem kräftigen Orange von Schnabel und Füßen ist sie eine „Vorzeigegans“. „Was die Farben angeht, macht sich der Erfolg einer Zucht auch dort bemerkbar“, sagt Dreyer, „je reiner, desto weißer und kräftiger orange.“ Andere Gänserassen kommen auch schon mal etwas grau daher.

Aber andere Gänserassen wiegen mehr als die Diepholzer Gans, bei der der Ganter 7 kg und die Gans 6 kg auf die Waage bringen. „Mit der Intensivierung der Landwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg setzten Landwirte zunehmend auf schwerere Rassen wie die Emdener oder die Pommersche Gans, die auch mal auf 12 kg kommen.“ Zudem löste Diepholz 1935 seine Weidegründe auf, so dass die Zucht in Privathände überging. Im Laufe der Jahrzehnte wurden immer weniger „Diepholzer“ gezüchtet.

Doch Heinrich Dreyer ist überzeugt: Menschen, für die neben einem leckeren Braten zu Festtagen auch der Erhalt der Artenvielfalt von Bedeutung ist, würden mit der Zucht der Diepholzer Gans viel Freude haben. „Auf einen Ganter kommen vier bis fünf Gänse. Pro Paar muss man 200 qm Platz rechnen und eine kleine Wasserstelle, die baden auch mal gerne.“

Wir suchen händeringend Nachwuchs, sonst ist es um diese Art bald geschehen.“

Archehof-Betreiber Heinrich Dreyer aus Freidorf

Die geselligen Gänse bilden Gruppen und Paare. Zwischen Februar und Mai legen sie 30 bis 40 Eier, die sie in 30 Tagen ausbrüten – bis zu zwei Gelege. „Gänse sind liebevolle Eltern, die auf die Gössel gut aufpassen. Da wird man dann auch mal angefaucht, wenn man denen zu nahe kommt.“ Da in der freien Natur Feinde wie Fuchs, Marder und sogar der Wolf lauern, ist es besser, die Gänse abends in einen einfachen Stall zu bringen.

Wenn sich ein enges Paar von Ganter und Gans bildet, verkauft Heinrich Dreyer dieses an Züchter. Von denen sollte es bald wieder mehr geben, „denn bei zu wenig Diepholzer Gänsen steigt die Gefahr von Inzucht.“ Unterstützung für Anfänger gibt es verlässlich von erfahrenen Experten wie Dreyer und seinen Kollegen, aber auch vom Land Niedersachsen; „Wenn die Gänse im Zuchtbuch stehen, gibt es eine kleine jährliche Unterstützung.“

Ein schönes Tier: Das reine Weiß der Federn und das kräftigen Orange von Schnabel und Füßen macht die Diepholzer Gans zu einer „Vorzeigegans“.

Ist es nicht ein Widerspruch, vom Aussterben bedrohte Tiere dann zu Weihnachten oder am Martinstag (11. November) auf den Tisch zu bringen? Nein, sagt Heinrich Dreyer. „Erhalten durch Aufessen“ sei die Devise der GEH – „wenn niemand mehr Gänse isst, züchtet sie auch bald niemand mehr. Wenn jeder nur ein paar Gänse hat und die sterben, dann war es das.“ Es sei gut, eine gesunde Distanz zu wahren: „Auch die Diepholzer Gans ist kein Kuscheltier oder Kumpel, sondern ein Nutztier.“

Trotzdem gibt es natürlich auch Menschen, die Diepholzer Gänse „nur“ als tierischen Rasenmäher beschäftigen. Dann werden sie bis zu 40 Jahre alt – Dreyers älteste Gans ist 11. Gänse sind anhänglich: „Es ist immer wieder ein schöner Moment, wenn sie mich erkennen und dann fröhlich schnatternd auf mich zulaufen“, sagt Dreyer. Dabei zählt diese Rasse noch zu den ruhigeren Gänsen: „Wenn sie auf weitläufigem Gelände nicht gestört werden, hört man den ganzen Tag nichts von denen.“

Veröffentlicht von

Administrator

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert