Richard Reiners, Neubruchhausener und freier Mitarbeiter des „Syker Kurier“, hat für diese Zeitung einen informativen Artikel über den Schützenverein Neubruchhausen geschrieben – und dankenswerterweise auch zugestimmt, dass dieser Text hier auf unserer Webseite erscheint.
Die Geschichte des Schützenvereins Neubruchhausen beginnt im Jahr 1884. Ein Jahr später folgte das erste Schützenfest. Bis heute hat der Verein viel erlebt – und einiges verändert.
„Kleinschmidt: Zwölf!“, verkündete der diensthabende Schreiber und Schulmeister Georg Kohlberg den Königsschuss von Metzgermeister Hermann Kleinschmidt. Gerade hatte Kohlberg den Hörer des damaligen Feldtelefons aufgelegt, aus dem die Bestätigung des Anzeigers aus dem unterirdischen Kontrollstand, 100 Meter entfernt vom Schützen, kam. „Ober mine Munitschion sitt dor doch noch binnen“, wunderte sich Kleinschmidt mit Blick auf sein Gewehr, das seinen Schuss noch gar nicht abgegeben hatte. Egal: Hermann Kleinschmidt wurde Schützenkönig! Dass sein Standnachbar Heinrich Bothe irrtümlicherweise auf die falsche Scheibe geschossen hatte, wurde „gekonnt übersehen“, Kleinschmidt passte ins Raster eines würdigen Königs. Diese Episode aus dem Vereinsleben des Neubruchhauser Schützenvereins, die sich im Jahr 1959 auf dem alten Schießstand an der Hauptstraße 66 zutrug, hält sich bis heute hartnäckig im Verein und sorgt immer wieder für ein Schmunzeln.
Heute, nahezu 60 Jahre später, ziert eine vollelektronische Schießsportanlage der Firma Meyton das jetzige Schützendomizil an der Rue de Marolles 6 in Neubruchhausen. Sie wurde vor einigen Wochen in Betrieb genommen. „Diese Anlage, die mit Unterstützung einiger Neubruchhauser Firmen realisiert werden konnte, liefert künftig nicht nur zu den schießsportlichen Wettbewerben aktuelle Ergebnisse, sondern überträgt künftig auch das Königsschießen live auf einen großen Bildschirm in unserem Schießstand“, freut sich Schießsportleiterin Renate Bothe über die zu erwartenden Spannungsmomente künftiger Schützenfeste.
Ereignisreiche Jahre mit „kleinen Dramen“
„In diesen sechs Jahrzehnten liegen ereignisreiche Jahre, in denen sich teilweise sogar kleine Dramen abgespielt haben“, weiß der aktuelle Ehrenvorsitzende Lothar Sengelmann zu berichten. Sengelmann, von 1985 bis 2007 Vorsitzender, war unter anderem sieben Jahre Schießwart, ein Jahr Jungschützenhauptmann, kommt auf insgesamt 30 Jahre Vorstandsarbeit und ist durch intensives Studieren von Protokollen das wandelnde Lexikon des Neubruchhauser Schützenvereins.
Die Vereinsgeschichte beginnt im Jahre 1884 im Heinekeschen Gehöft, einem Gelände hinter dem damaligen Hof der Familie Heineke an der Hauptstraße, mit der heutigen Hausnummer 99. „Es war nur ein primitiver Stand mit nur einer Scheibe“, zitiert Sengelmann die Chronik, „im darauffolgenden Jahr, am 21. Juni 1885, feierte man mit König Heinrich Bothe in der Kreyenhopschen Schankwirtschaft das erste Schützenfest der Vereinsgeschichte“, so Sengelmann, „der König bekam einen silbernen Königsstern und ein Preisgeld in Höhe von zehn Mark ausgezahlt.“
In den Jahren 1888 und 1905 wurde der Schießstand zwei weitere Male verlegt, bis er dann 1912 mit einem modernen 100-Meter-Stand auf dem Gelände des heutigen Schützenhauses gebaut wurde. Er war nach vielen Umbauten und Erweiterungen, die zum Teil mit Bausteinen finanziert wurden, das Domizil des Vereins bis ins Jahr 1970. „Jenes Jahr, das unseren Verein in ungeheure Turbulenzen bringen und gehörig durcheinander wirbeln sollte“, erinnert sich Sengelmann an die Zeit zurück.
Turbulenzen in den 1970er-Jahren
Trotz immer wieder durchgeführten Renovierungen und Instandsetzungen, befand das Bauamt Syke, dass der Schießstand am Sportplatz nicht mehr den baubehördlichen Vorschriften entsprach. Da die für eine Instandsetzung aufzubringende Summe von rund 15 000 Mark nicht zu finanzieren war, bot Gastwirt Hermann Meyer an, an seinem Gasthaus Zur Post einen Schießstand mit der Bedingung zu bauen, das Schützenfest werde im Gasthaus Zur Post ausgetragen. Daraufhin erklärte der Gastwirt Fritz Meyer, auch er sei bereit, unter den gleichen Bedingungen an seiner Gaststätte Holldorbs Gasthaus einen Schießstand und ein weiteres Klubzimmer zu bauen.
Daraufhin kam es auf der Generalversammlung 1971 zu heftigen Diskussionen. Alle erdenklichen und möglichen Szenarien wurden durchgespielt: Plötzlich tauchten Spender auf, die den alten Schießstand erhalten wollten.
„Laut Protokoll prallten die Meinungen stark aneinander. Sitzungsunterbrechungen, auf die Toiletten flüchtende Mitglieder, die ihr Abstimmungsverhalten nicht zeigen wollten, Abstimmungsformfehler, die zu einer neuen Ansetzung der Generalversammlung führten, sind nur ein Bruchteil von dem, was sich da abspielte“, sagt Lothar Sengelmann.
Mit 41 Stimmen für die Instandsetzung, 52 Stimmen für das Angebot von Hermann Meyer und drei ungültigen Stimmen wurde der Umzug des Schützenfestes in das Gasthaus „Zur Post“ letztlich beschlossen. In seiner Funktion als Bürgermeister wandte sich Hauptmann Konrad Lahmeyer mit seinem Wunsch, doch nun wieder „Frieden und Eintracht“ walten zu lassen, an die Mitglieder. Die sicherlich in der Historie des Ortes begründeten Feindseligkeiten, die die Mitglieder des Schützenvereins immer in mehrere Läger teilten, zogen sich auch in den darauffolgenden Jahren durch die Vereinskultur. Leichte Disharmonien und die nicht mehr zufriedenstellenden räumlichen Gegebenheiten im Gasthaus Zur Post führten auf der Generalversammlung 1994 dazu, nach einem gescheiterten Versuch 1990, mit überwältigender Mehrheit einen eigenen Schießstand zu bauen.
Eigener Schießstand seit dem Jahr 2000
In diesem residiert nun seit dem 8. Januar 2000 der Schützenverein Neubruchhausen, wie von Konrad Lahmeyer gewünscht, in Frieden und Eintracht. „Circa 380 Mitglieder zählt unser Verein heute“, freut sich der amtierende Vorsitzende Marcus Schiffer und ergänzt dann nicht ohne Stolz: „Nahezu 130 Schützendamen vollenden ein harmonisches Gesamtbild unseres Vereines“, nicht ohne Augenzwinkern auf die aktuelle Diskussion, reine Männervereine als nicht mehr gemeinnützig durchgehen lassen zu wollen. Schiffer und seine Vorstandskolleginnen und Kollegen Heike Mahlstedt (Schriftführerin), Rolf Lahmeyer (2. Vorsitzender), Nils Oldenbüttel (3. Vorsitzender) und Kassenwartin Berenice Pankalla treffen sich in regelmäßigen kurzen Abständen, um Dinge im Verein voranzubringen. „Tradition heißt nicht, Asche zu verwahren, sondern eine Flamme am Leben zu erhalten“, ist das Motto von Marcus Schiffer.
So geben sich das Traditionelle und die Moderne im Verein die Hand. Neben den traditionellen Schießveranstaltungen auf den modernen vier Kleinkaliber-Ständen, vier Luftgewehrständen und einem Lasergewehr, dem traditionellen Preisdoppelkopfturnier und dem Seniorennachmittag ist das Schützenfest wohl das Highlight des Jahres, welches immer am zweiten Wochenende nach Pfingsten „zelebriert“ wird. An beiden Tagen begleiten eine stattliche Reiterstaffel, zwei Musikgruppen, vier Königskutschen und ein Wagen für Senioren den mehrere 100 Meter langen Festumzug. Der Höhepunkt eines jeden Festumzuges ist das traditionelle „Einkehren“. Dann nimmt das Geschehen in Bülters Scheune karnevalistische Ausmaße an. Auch die Frage, ob es in Neubruchhausen auch mal eine „Republik“ geben könne, stellt sich nicht. 78 Königsanwärter versuchten in diesem Jahr ihr Glück. 24 Schützen waren mit 36 Ringen im Umschießen.
Zur jüngeren Geschichte gehört wieder das Traditionelle. Der alte Schießstand an der Hauptstraße 66 – „ich bekomme heute noch Post mit dieser Adresse“, sagt Sengelmann – bekommt aktuell ein Facelifting. Die Sponsoren und Vereinsmitglieder Raimund Schrader, Hendrik Bülter, Alwin Bodenstab, Helmut Feldmann und Karl Theilkuhl spendeten Dachpfannen, Fenster, Bauholz und weitere Materialien für die Renovierung als Lagerstätte für Stühle und Tische. Bauausführung: Heinrich Bothe und Rainer Oldenbüttel. Zwei Hauptakteure, die auch am Bau des neuen Schießstandes maßgeblich beteiligt waren.
Erschienen im „Syker Kurier“ vom 5. Januar 2020. Der Artikel ist hier auch online verfügbar.